02 Apr 2020

Raumstation ISS mit Teleskop fotografieren

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Liebe Astronomiefreunde,

die Internationale Raumstation (ISS) oder auch andere Satelliten mit bloßem Auge zu verfolgen, ist ein Thema für sich. Mittels diverser Apps kann heute jeder Laie relativ einfach herausfinden, wann und wo am Himmel die Raumstation über dem eigenen Standort erscheinen wird.
Eine besondere Herausforderung stellt jedoch die Beobachtung der Raumstation mit Teleskop dar. Das bereits mit bloßem Auge relativ schnell fliegende Objekt erscheint im vergrößernden Teleskop nochmals sehr viel schneller, was die manuelle Nachführung am Teleskop schwierig macht. Anders als ein Flugzeug, das man oft einfach über den Kondenzstreifen  kann, hinterlässt die Raumstation auch keine Spur, der man folgen konnte. Dieser Bericht soll allen Interessieren, die über ein Teleskop verfügen, eine grobe Beschreibung geben, wie man nur mit ein wenig Übung und möglichst einfachem Aufbau ohne motorisierte, computergesteuerte Nachführung Bilder von der Raumstation machen kann.

Zu meinem Aufbau

Teleskop: 14,5 Zoll Dobson Teleskop (Hersteller: ICS), Öffnungverhältnis f/5,2
Kamera: Canon EOS 5D Mark II (nicht modifiziert) mit T-Ring + 2″ Adapter für Okularauszug
Sucher: TeleVue Starbeam (Leuchtpunkt)

Sichtbarkeit der Raumstation recherchieren

Für die optimale Planung kann man die aktuellen Sichtbarkeitsdaten der Raumstation sehr einfach über das bekannte und sehr zuverlässige Portal www.heavens-above.com abrufen. Das funktioniert ganz einfach und auch ohne Registrierung bzw. Erstellung eines Benutzerprofils. Im ersten Schritt gibt man seinen genauen Standort (Ortsnamen oder Koordinaten) ein und kann dann aus einer längeren Liste u.a. die Raumstation ISS auswählen. Sofern aktuell sichtbare Überflüge über Deutschland stattfinden, werden die exakten Zeiten und Verlauf der scheinbaren Flugbahn mit Himmelsrichtungen und Höhen über Horizont in Tabellenform angegeben. Zudem kann man sich den Flugverlauf am Himmel auch anhand einer generierten Sternkarte genau ansehen.


Screenshot: Recherche der ISS Sichtbarkeitsdaten mittels Heavens-Above.com

Gute Alternativen für das Smartphone sind aktuell die (kostenfreien) Apps „ISS Finder“ (IOS) und „ISS Detector“ (Android).

Vorbereitungen am Teleskop und Kamera

Sind die Sichtbarkeitsdaten der Raumstation bekannt, sollte man vor dem Aufbau des Teleskops sicherstellen, dass auch die Sicht zu den relevanten Himmelsrichtungen vom gewählten Beobachtungsplatz aus frei ist.
Besonders im Winter sollte das Teleskop wenigstens eine Stunde vor dem Einsatz draußen aufgebaut sein, damit es gut austemperieren kann (Temperatur des Teleskop entspricht Umgebungstemperatur, Optik kann sich entsprechend anpassen, Warmluft aus dem Tubusinneren kann entweichen). Andernfalls riskiert man sogenanntes lokales Seeing, was die Luftunruhe in umittelbarer Umgebung verstärkt und die Abbildungsleistung des Teleskops stark beeinträchtigen kann. Im kalten Winternächten kann bereits die bloße Anwesenheit von einer oder mehreren Personen in der Nähe des Teleskops oder innerhalb einer Sternwartenkuppel starke Wärmequellen erzeugen, die das Bild stark stören.
Um eine Kamera (in meinem Fall eine digitale Spiegelreflexkamera) sicher und stabil am Teleskop zu befestigen, benötigt man einen passenden T-Ring sowie Adapter für den Okularauszug. Vorhandenes Objektiv an der Kamera wird zunächst abgeschraubt und dann T-Ring + Adapter aufgeschraubt. Die Kamera mit montiertem Adapter wird so direkt in den Okularauszug eingeführt und sicher wie ein Okular festgestellt. Diese Art der Fotografie, bei der die Kamera ohne Objektiv im Strahlengang des Teleskop eingesetzt und das Teleskop quasi als Super-Teleobjektiv dient, nennt man fokale Fotografie. Ggf. sind die Schräubchen am Okularauszug lieber etwas fester als sonst anzuziehen, da eine Kamera oft deutlich mehr Gewicht und Hebelkraft aufbringt und beim Schwenken des Teleskops das Risiko besteht, dass sie sich bei nicht ausreichender Fixierung im Okularauszug verdreht oder im schlimmsten Fall sogar ganz herausrutscht.
Ist der Aufbau abgeschlossen, muss die Kamera eingestellt werden. Viel Zeit sollte man sich hier vor allem für die bestmögliche Fokussierung (Bildschärfe) nehmen. Diese regelt man nun wie beim Einsatz eines Okulars auch über Ein- und Ausfahren des Okularauszugs. Bei der Spiegelreflex kann man direkt den optischen Sucher der Kamera verwenden. Zusätzlich oder ergänzend empfehle ich auch die Live-View Funktion (z.B. bei Canon 5D Mark II), mit der man einen Ausschnitt des Bilds mittels 10-fachem digitalem Zoom betrachten und so fein scharfstellen kann. Als Referenzobjekte können feine Details an der Mondoberfläche oder auch mittelhelle bis schwächere Sterne dienen. Dabei ist es wichtig, in Ruhe und mit etwas Zeit die Momente mit bestmöglicher Luftruhe abzuwarten, um die Schärfe korrekt beurteilen zu können.
Um ein brauchbares Bild an der Kamera zu bekommen, müssen neben der Schärfe auch die Einstellungen zur Belichtungszeit, ISO (Empfindlichkeit), Weißabgleich etc. sinnvoll gewählt sein. Keine Einstellung sollte von der Automatik übernommen werden, da es sonst auch während der Aufnahme zu plötzlichen, ungewollten automatischen Korrekturen kommen kann. Dazu schaltet man die Kamera unbedingt in den manuellen Modus (i.d.R. mit „M“ gekennzeichnet). Da die Einstellungen der Kamera direkt vom Kameramodell und der Bauart des eingesetzten Teleskops (Öffnungsverhältnis) abhängig sind, kann hier leider von mir kein Universalrezept gegeben werden. Für meinen Aufbau habe ich folgende Einstellungen an der Kamera vorgenommen:

Belichtungszeit: 1/2500s
ISO: 400
Weißabgleich manuell


Teleskop-Aufbau: Optischer Sucher oder Leuchtpunktsucher (TeleVue Starbeam) mit befestiger DSLR Kamera am Okularauszug. Foto: Peter Maier


14,5 Zoll Dobson (ICS GND) Spiegelteleskop f/5,2 ohne automatische Nachführung. Foto: Peter Maier

Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass die Raumstation ISS – inbesondere bei sehr hohen, zenitnahen Überflügen – ein extrem helles und kompaktes Objekt ist, das bei großzügig gewählten Belichtungs- oder ISO-Werten eher überbelichtet als unterbelichtet wird. Zudem führt eine zu lange Belichtung eher zu Bewegungsunschärfe der Aufnahme während der manuellen Nachführung. Ein weiteres Problem klassischer Spiegelreflexkameras ist leider das notwendige Klappen des Spiegels, der den Sensor freigibt. Dies kann zusätzlich zu Erschütterung und damit Unschärfen führen und kann nur bei spiegellosen Digitalkameras vermieden werden. In meinem Fall kam keine Barlow-Linse zwischen Kamera und Teleskop zum Einsatz, so dass die Raumstation bei einem Teleskop-Öffnungsverhältnis von f/5,2 auf dem Vollformat-Sensor der Kamera sehr klein abgebildet wurde. Dank der großen Auflösung des Vollformat-Sensors (5616×3744 Pixel) werden in der 100% Darstellung dennoch einige Details sichtbar (Siehe Rohbild weiter unten). Ein Aufnahmeversuch mit vergrößernder Barlow-Linse folgt in Zukunft noch – allerdings wird mit zunehmender Vergrößerung logischerweise der Bildausschnitt kleiner und damit die Nachführung der Raumstation zusätzlich erschwert.
Schließlich ist noch wichtig, dass die Speicherung der Aufnahmen der Kamera immer in maximal möglicher Auflösung und Format erfolgt. Keinesfalls sollte man im Menü die Fotoauflösung niedriger einstellen, um Speicherplatz zu sparen, da so die Leistung der Kamera nicht ausgeschöpft werden kann und die Bilder irreversibel niedrig aufgelöst auf der Karte gespeichert werden. Zudem sollte übergeprüft werden, dass die Karte noch über genügend freien Speicherplatz (ich empfehle mindestens 4 GB!) verfügt.
Viele mittelmäßige bis semiprofessionelle Kameras bieten zudem die Funktion JPG + RAW an, die ich unbedingt empfehle. Auf diese Weise werden die Bilder im komprimierten JPG Format (gut für die schnelle Vorschau und Auswahl am Computer) und im unkomprimierten, d.h. originalem RAW-Aufnahmeformat gespeichert. Letzteres sollte unbedingt bei der späteren Auswertung und möglicher Nachbearbeitung der Bilder bevorzugt werden. Der Qualitätsunterschied zwischen JPG und RAW Bild ist teils enorm! Siehe dazu auch Bildvergleich weiter unten.

Nicht zuletzt sollte man kontrollieren, dass der verwendete Sucher (in meinem Fall ein Leuchtpunktsucher) auch möglichst exakt zum Teleskop justiert ist. Dazu kann man einfach im Teleskop bzw. im Live-View der Kamera den Mond oder einen Stern zentrieren und stellt den Sucher dann parallel entsprechend dazu ein. Die Genauigkeit des Suchers wird schließlich beim Verfolgen der ISS eine ganz entscheidende Rolle spielen.

Raumstation am Teleskop fotografieren

Hat man die Vorbereitungen gut abgeschlossen, kann es losgehen. Kurz vor dem erwarteten Überflug der Raumstation habe ich nochmal zur Übung am Teleskop die ungefähr erwartete Bahn der ISS entlang geschwenkt, um sicherzustellen, dass kein Hindernis im Weg ist und um eine sichere und möglichst bequeme Haltung einnehmen zu können, die ein flüssiges manuelles Nachführen des Teleskops und zugleich immer das Drücken eines Fingers am Kamerabzug. Zum Schluss hab noch einige schnelle Probeschüsse an Sternen und Mond vorgenommen. Ist die nötige Treffsicherheit per Sucher gegeben und die Abbildung der gemachten Bilder zufriedenstellend, ist man bestmöglich vorbereitet.
Als die ISS am Himmel erschien, machte ich mich am Teleskop bereit. Wichtig ist, dass man jetzt die Raumstation möglichst frühzeitig im Sucher „einfängt“ und sich dann auf die Schwenkbewegung konzentrieren kann. Nach kurzer Zeit hat man den Bogen raus. Während ich mit einer Hand an der Dobsonstange und bequem aufgelegtem Kinn das Teleskop stabil nachführen konnte, lag die andere Hand permanent am Kameraauslöser. Immer wenn ich den Eindruck hatte, dass die Raumstation gut im Leuchtpunkt des Suchers lag, habe ich eine Serie von Bildern ausgelöst. Technisch wahrscheinlich mit Tontaubenschiessen bzw. Schiessen auf ein bewegtes Ziel vergleichbar.
Keinesfalls verpassen sollte man den Zeitpunkt, wenn die Raumstation ihren höchsten Bahnpunkt am Himmel erreicht hat: An dieser Stelle ist die tatsächliche Entfernung zur Raumstation am geringsten und somit der bestmögliche Moment für die Aufnahme. Dabei ist damit zu rechnen, dass auch die Geschwindigkeit, mit der nachgeführt werden muss, dann deutlich zunimmt und eine Spitze erreicht. Vollste Konzentration ist erforderlich und zahlt sich später bei den Ergebnissen aus.

Zum Schluss noch zur Klärung der Frage: Warum manuell viele einzelne Fotos schiessen und nicht einfach eine durchgehende Videoaufnahme, aus der man dann einfach gute Einzelbilder aussortiert?
Die Antwort war für mich sehr einfach: Die Canon 5D Mark II unterstützt zwar die Videaufnahme, allerdings nur mit HD-Qualität, d.h. einer maximalen Auflösung von 1920×1080 Pixel. Die Foto-Auflösung der Kamera bietet jedoch 5616×3744 Pixel und damit deutlich bessere Qualität.
Eventuell wäre beim Fotografieren der ISS am Teleskop jedoch ein Fernauslöser als Zubehör zu empfehlen. Damit ließe sich die Kamera – ggf. auch mit eingestelltem Intervallprogramm – berührungsfrei und komfortabler auslösen.


Beispiel Rohbild ohne Zuschnitt – zeigt, wie klein die Raumstation auf dem Vollformatsensor abgebildet wurde. Foto: Peter Maier

Auswertung und Nachbearbeitung der Bilder

Wie oben bei den Kameraeinstellungen beschrieben, lassen sich die JPG Bilddateien später auf dem Computer gut zur Vorschau und Sichtung nutzen. Auf diese Weise schaue ich jedes einzelne Bild an und wähle die besten, schärfsten Bilder aus.
In diesem Fall habe ich während des gesamten ISS-Überflugs eine Serie von insgesamt 125 Fotos aufgenommen. Zusammen mit den parallel gespeicherten RAW-Bilddateien kommen da auf der Speicherkarte sehr schnell 4 oder mehr Gigabyte zusammen. Wer sichergehen will, sollte daher darauf achten, genügend freien Speicherplatz für die Kamera zu haben. Eine 16 oder 32 GB sollten für einen ISS Überflug jedoch gut ausreichend sein.
Die entsprechend ausgewählten Bilder öffne ich schließlich im RAW-Format in einem Bildbearbeitungsprogramm. Gewöhnlich verwendete ich dazu das gängige Standardprogramm Photoshop, das die RAW Bildbearbeitung unterstützt.


Vergleich: Qualität der originalen RAW-Bilddatei (links) gegen JPG-Bilddatei (rechts). Foto: Peter Maier

Meine Grundeinstellungen für die Entwicklung der RAW Fotos in Photoshop waren wie folgt
Temperatur: 5000 K
Farbton: 0
Belichtung: 0
Reparatur: 0
Fülllicht: 0
Schwarz: 0
Helligkeit: 0
Kontrast: +5
Klarheit: +80
Dynamik: +55
Sättigung: +20
Der Parameter Klarheit brachte deutlich mehr Feinheit in die Details. Dynamik und Sättigung habe ich erhöht, um farbliche Unterschiede besser herauszuarbeiten.

Weitere Nachbearbeitung erfolgte nicht.


Auswahl der 3 besten Einzelbilder aus einer Serie von 125 Fotos während des ISS-Überflugs am 01.04.2020. Rechts ein Vergleich mit 3D-Modell in ähnlicher Perspektive zur Identifizierung der sichtbaren Module.
Aufnahmen: Peter Maier

Viel Erfolg bei der Beobachtung und Aufnahme der Raumstation ISS wünscht Euch

Peter Maier

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