03 Jan 2018

Neujahr und was am „Supermond“ dran ist.

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Liebe Astronomiefreunde,

allen Astronomieinteressierten und solchen, die es werden wollen, wünsche ich einen guten und glücklichen Start ins neue Jahr 2018!

Zudem will ich die Gelegenheit gern nutzen und aus aktuellem Anlass auf einen Sachverhalt eingehen, der gerne regelmäßig und auch ganz aktuell wieder von den Medien als astronomisches Großereignis gefeiert wird: Gleich zu Jahresbeginn, am 2. Januar 2018, sehen wir nach Sonnenuntergang einen großen Vollmond bzw. „Supermond“ laut Presse aufgehen.
Dazu ist zunächst wichtig, dass der Begriff „Supermond“ kein korrekter, astronomischer Begriff ist, sondern auf den amerikanischen Astrologen Richard Nolle zurückzuführen ist. Daher halte ich diesen Begriff in meinem Text auch grundsätzlich in Anführungsstrichen. Nolle prägte diesen Begriff 1979 in Zusammenhang mit der umstrittenen These, dass die Wahrscheinlichkeit von Erdbeben und Vulkanausbrüchen in Abhängigkeit zur Entfernung des Mondes von der Erde steht und inbesondere beim „Supermond“ erhöht ist. Inzwischen taucht der Begriff des „Supermondes“ (unnötigerweise) längst auch in astronomischen und naturwissenschaftlichen Publikationen auf und wird insbesondere auch von Nasa und Journalisten international gerne aufgegriffen.

Die Tatsache, dass der Mond – bedingt durch seine elliptische Umlaufbahn um die Erde – regelmäßig eine größte Annäherung bzw. größte Entfernung zur Erde erreicht, ist nicht ungewöhnlich und schon gar nicht selten. Zwischen erdfernstem Bahnpunkt (Apogäum) und erdnächstem Bahnpunkt (Perigäum) schwankt die Entfernung Mond-Erde zwischen rund 408.000 und 360.000 Kilometern. Von einem „Supermond“ bzw. „Mikromond“ ist dann die Rede, wenn der Mond das Perigäum oder Apogäum passiert und dieses Ereignis gleichzeitig in der Vollmondphase stattfindet. Dabei ist wichtig zu wissen, dass die Erscheinung der Mondphasen (Neumond – Erstes Viertel bzw. „Halbmond“ – Vollmond – Letztes Viertel) nicht in Abhängigkeit von den Bahnpunkten des Perigäum bzw. Apogäum stehen, sondern durch die räumliche Anordnung von Sonne, Erde und Mond hervorgerufen werden.
Bei einem „Supermond“ passiert folgendes: Sonne, Erde und Mond stehen nahezu in einer Linie. Da der Mond von der Erde aus in Opposition, d.h. gegenüber der Sonne steht, erscheint seine Oberfläche von der Erde aus gesehen „voll“ bzw. maximal beleuchtet. Wir sehen einen Vollmond, der folglich immer dann aufgeht, wenn die Sonne gerade untergeht und damit die ganze Nacht hindurch am Himmel sichtbar bleibt. Auch wenn der Vollmond für den irdischen Beobachter scheinbar einen guten Tag lang sichtbar ist, findet er astronomisch oder rechnerisch gesehen nur zu einem exakten Zeitpunkt bzw. Uhrzeit statt. Kurz vor oder nach diesem Zeitpunkt beginnt der Mond, der ja in ständiger Bewegung ist, von der Erde aus betrachtet wieder „abzunehmen“. Schon in kleinen Teleskopen kann man bereits nach wenigen Stunden beobachten, dass Berge und Krater am westlichen „Mondrand“ bereits wieder in die Dunkelheit der Nacht eintauchen. Gleichermaßen kurz ist der Moment der größten Annäherung an die Erde bzw. des Erreichens des erdnächsten Bahnpunktes (Perigäum). Je näher beide Ereignisse – das Erreichen des Perigäum-Bahnpunktes und die Vollmondphase – zeitlich zusammenfallen, desto extremer fällt der sogenannte „Supermond“ aus. Da der Mond voll beleuchtet ist und zusätzlich durch seine Nähe einen größtmöglichen scheinbaren Durchmesser am irdischen Himmel erreicht, erscheint er auch relativ hell. Analog dazu ereignet sich ein „Mikromond“ dann, wenn der Vollmond zeitlich nahe am Apogäum (Erdferne) stattfindet.

In der Praxis werden jedoch selbst geübte, regelmäßige Mondbeobachter nur sehr schwer den sichtbaren Größenunterschied zwischen einem Vollmond im Perigäum und einem Vollmond im Apogäum bemerken, erst recht nicht zwischen zwei nacheinander in größerem Zeitabstand auftretetenden „Supermonden“. Für einen direkten und objektiven Größenvergleich zwischen erdnahem und erdfernen Mond behilft man sich daher besser mit einem einfachen Modell: Beispielweise können hierfür eine 2-Euro-Münze neben einer 1-Euro-Münze betrachtet werden. Ihr Größenunterschied entspricht in etwa dem Größenunterschied des scheinbaren Monddurchmessers zwischen Apogäum und Perigäum am Nachthimmel. Damit kann man auch ohne Experte zu sein unschwer erkennen, dass dieser Unterschied – selbst bei direkt aufeinanderfolgenden Extrema – kaum auffällig ist und erst recht kein nennenswertes, astronomisches Jahrzehntereignis darstellt.
Beim Vergleich von vergangenen oder kommenden „Rekord-Supermonden“ mit dem aktuellen Supermond vom 01.01.2018 werden selbst Freunde der Zahlen und Rechenaufgaben ernüchtert sein: Beim kommenden „Supermond“ am 25. November 2034 wird der Mond sich der Erde bis auf 356.446 Kilometer annähern. Damit kommt er fast genau 162,5 Kilometer Kilometer näher als am heutigen Tag (02.01.2018) mit 356.608 Kilometern. Schauen wir uns die scheinbare Größe dieser beiden Vollmonde an, stellen wir fest, dass der Mond am 25.11.2034 einen scheinbaren Durchmesser von 0° 33′ 30,76“ ( =0,55854°) haben wird und der heutige Mond am 2.1.2018 einen scheinbaren Durchmesser von 0° 33′ 29,85“ ( =0,55829°) am irdischen Himmel hat. Der „sichtbare“ Unterschied beträgt damit gerade mal 0,00025 Grad oder 0,0447%! Damit behaupte ich, dass man selbst auf zwei gleich erstellten, hochaufgelösten Aufnahmen nebeneinander praktisch keinen Unterschied zwischen dem heutigen und dem „noch größeren“ Mond in 2034 feststellen können wird. Auch der „Supermond“ am 14. November 2016 hat für besondere Schlagzeilen gesorgt – angeblich der größte und hellste Mond der vergangenen 70 Jahre bzw. seit 1946.
Dieser Mond am 14.11.16 (scheinb. Durchmesser: 0° 33′ 30,34“ oder 0,55843°) war nur 0,025% größer als der Vollmond am 02.01.2018.
Anders dagegen sieht der Vergleich zwischen kleinstem und größtem Mond aus – hier kann der Unterschied im scheinbaren Durchmesser durchaus mal 12 Prozent betragen (ähnlich dem Vergleich mit den Euromünzen). Noch etwas größer ist der daraus resultierende Helligkeitsunterschied. Die beiden Extrema erleben wir in der Natur jedoch nie unmittelbar nacheinander, so dass auch hier nur ein theoretischer Unterschied feststellbar ist.

Betrachtet man die Häufigkeit der Mondumläufe um die Erde bzw. Zahl möglicher Vollmond- und Perigäumsereignisse pro Jahr und die von Nolle willkürlich definierte Toleranz von wenigstens 90 Prozent der maximal möglichen Annäherung an die Erde, die einer Entfernung kleiner als 367.610 Kilometer entspricht, dann gibt es mindestens vier „Supermonde“ im Jahr. Also kein besonders seltenes Ereignis. Um dennoch spannende Schlagzeilen formulieren und maximale Aufmerksamkeit um das Thema „Supermond“ generieren zu können, setzt man folglich und gleichermaßen willkürlich diese Grenze noch weiter herab, z.B. auf gedankliche 356.500 Kilometer. Und schon kommt man auf nur noch drei bis vier Supervollmonde im vergangenen und aktuellen Jahrhundert! Dank dieses imaginären Filters ist es also möglich, faktisch richtige und gleichzeitig effektvoll klingende Vergleiche zwischen „Supermonden“ zu konstruieren, obwohl diese für den Laien-Beobachter in der Praxis nur marginal bis gar nicht sichtbar und auch für astronomische und naturwissenschaftliche Beobachtungen von keinerlei Wert oder Bedeutung sind:

„Supermond: 2018 beginnt mit riesigem Vollmond.“, Pravda-TV, 01.01.2018
https://www.pravda-tv.com/2018/01/supermond-2018-beginnt-mit-riesigem-vollmond/

„Der größte Supermond seit 70 Jahren steht am Montag am Himmel“, Augsburger Allgemeine, 12.11.2016
http://www.augsburger-allgemeine.de/wissenschaft/Der-groesste-Supermond-seit-70-Jahren-steht-am-Montag-am-Himmel-id39664817.html

„Naturphänomen: Der bislang größte Supermond des Jahrtausends“, Die Welt, 14.11.2016
https://www.welt.de/wissenschaft/article159301986/Der-bislang-groesste-Supermond-des-Jahrtausends.html

„Mondphasen und Mondphrasen“, Süddeutsche Zeitung, 15.11.2016
http://www.sueddeutsche.de/panorama/supermoonfail-mondphasen-und-mondphrasen-1.3250732

Es gibt schlicht keinen Mehrwert und sinnvollen Einsatz des Begriffs „Supermond“ in der Astronomie und anderen Wissenschaften. Auch zur Beschreibung der Mondentfernung, -Helligkeit, scheinbarer Größe oder Gezeitenkräfte ist er entbehrlich. Alle sonstigen, für die Astrologie relevanten Einflüsse des „Supermondes“ sind naturwissenschaftlich bzw. empirisch nicht belegbar und daher dem Reich der Esoterik zuzuordnen. Gleiches gilt auch für Nolles These des lunaren Einflusses auf Erdbeben und Vulkanausbrüche.

Grundsätzlich ist die mediale Berichterstattung über Naturschauspiele und astronomische Phänomene sehr wünschenswert und zu begrüßen, wenn auf diesem Weg ein großes Publikum erreicht wird und so viele Interessierte selbst die Schönheit und Bedeutung der Himmelsbeobachtung erleben. Die Art der Inszenierung und Ankündigung eines Themas sollte jedoch immer verhältnismäßig bleiben und sich nicht künstlicher Mittel bedienen, um dieses in seiner Erscheinung und Wichtigkeit übermäßig aufzuwerten. Denn sonst ist die Enttäuschung bei Menschen und inbesondere Kindern, die nachts lange aufbleiben oder dafür extra einen langen Ausflug organisieren, in der Hoffnung, etwas wirklich Spektakuläres und Einzigartiges zu erleben, vorprogrammiert. Erfahrungsgemäß ist die Erwartungshaltung gerade in der heutigen Zeit, in der sämtliche Seltenheiten, Kuriositäten und auch Himmelserscheinungen via TV, sozialen Medien und sonstigen online Plattformen „on demand“ verfügbar sind, auch recht hoch. Ein groß angekündigtes Himmelsspektakel, dass unter Realbedingungen für den Laien kaum verständlich oder schwer beobachtbar ist, wirkt sich daher nicht nur negativ auf sein zukünftiges Interesse für diese Themen aus, sondern auch auf die Glaubwürdigkeit der entsprechenden Berichterstattung und deren Quelle. Daher würde ich mir von Fernsehen, Zeitung, online Medien und auch Öffentlichkeitsarbeit treibenden Astronomiegruppen in Zukunft wünschen, mit Maß und Ziel über anstehende Himmelsereignisse zu berichten und eigenständig zu recherchieren ohne „copy-paste“-Manier, um letztlich nicht kontraproduktiv zu handeln.
Allen interessierten Lesern wünsche ich, die Fähigkeit zu entwickeln, besonders spektakulär formulierte Berichte auch öfter mal kritisch zu hinterfragen und Infos zu speziellen Themen lieber von einschlägigen Fachmedien zu beziehen.

FAZIT:
Wenn der Vollmond beim Aufgang also mal „super“, „riesengroß“, „blutig“ oder ähnlich spektakulär erscheint, dann liegt das weniger an seiner Entfernung zur Erde, sondern eher am suggestiven Medieneinfluss, an subjektiver Wahrnehmung und Erwartungshaltung, optischen Täuschungen durch Abgleich mit fernen horizontnahen Objekten und weil Mondaufgänge bei schönem Wetter generell immer und überall ein toller Anblick sind! 🙂

In diesem Sinne wünsche ich viel Erfolg beim Beobachten weiterer schöner Mondaufgänge sowie klaren Himmel,

Peter Maier

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